The educated Tanguero

Essential Tango Knowledge

Tonmalerei im Tango

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In der Sprache verwendet man Lautmalerei (Onomatopoesie) [1] zur Intensivierung des Ausdrucks, indem natürliche Laute unabhängig von einer Sprache, aber mit dem Phonemrepertoir derselben nachgeahmt werden und ggf. sogar in Worte gefasst werden. Übertragen auf die Musik erfolgt der gleiche Ansatz hier in der Sprache der Musik, ausgeführt von Musikinstrumenten unter dem Begriff Tonmalerei [2]. Insbesondere eine Auseinandersetzung mit der Natur und dem subjektiven Erleben ermutigte Komponisten aus dem Spätbarock und der Klassik-Romantik Tonmalerei in ihre Kompositionen einzufügen (Beispiel: Hector Berlioz, Symphonie fantastique, 1830, z.B. Ende vierter Satz). Auch in den Tangos des 20. Jahrhunderts wird auf das Werkzeug der Tonmalerei zurückgegriffen. Ich habe hier einmal zusammen mit Freunden einige Beispiele gesammelt:

1. Imitation von Tieren

Das wirklich bekannteste Beispiel, welches fast jedem Tanguero geläufig sein sollte ist das Stück “El Amanecer” (Morgendämmerung) komponiert von Roberto Firpo (Pianist) gegen 1910 und erstmals eingespielt im Jahr 1928. Firpo wurde zu dieser Komposition angeregt, als er nach einer Tangonacht im Morgengrauen nach Hause kam. In der Melodie und in den Tonmalereien steckt hier die Sinfonie der Vögel und das erste Hämmern der Werkzeuge und der Morgenschmerz der Nachtschwärmer (el dolor mañanero que sobreviene al placer de los noctámbulos) [3].

Hier ein Original Video von Firpo (am Klavier):

 

 

Leider ist in dem kurzen Ausschnitt die Tonmalerei nicht enthalten, daher hier eine andere Version in voller Länge (Originalversion von 1928), die Vögel sind gegen Ende um Zeitindex 2:00 zu hören:

 

 

Etwas später (1938) in besserer Aufnahmequalität klingt es dann so:

 

 

Andere Tiere werden ebenso imitiert. Hier ein von mir gerne gespielter Tango, “El Gato” (Der Kater) von Edgardo Donato mit Horacio Lagos als Sänger, aufgenommen 1937:

 

 

Der Text stammt von Homero Manzi und handelt nicht wirklich von einem Tier………. [4]

Ein anderes Beispiel hier die Milonga “Cacareando” (gackern) von OTV (Orquesta Tipica Victor) aus 1933 gesungen von Carlos Lafuente [5]. Die Hühner gackern ca. bei Zeitindex 2:00.

 

 

 

2. Wetter

Nähe zur Natur schliesst ohne Zweifel die Bekanntschaft mit dem Wetter ein. Beginnen wir hier mit dem wohl bedrohlichsten Phänomen, dem Wirbelsturm. Oft und gerne gespielt, hier die Komposition “El Huracan” komponiert von Osvaldo und Edgardo Donato. Dies ist die Originalversion von Edgardo Donato aus 1961, noch mit dem von Nolo Lopez geschriebenen und hier von Andres Galarce gesungenen Text. Der Hurricane wird vom Klavier ab ca. Zeitindex 2:16 gespielt.

 

 

Richtig rund geht es erst in der Instrumentalversion von Juan D´Arienzo aus 1944 (viel früher):

 

 

Gerne auf Milongas gespielt ist der Titel “Tormenta” (Sturm, Gewitter) von Enrique Santos Discepolo, hier in der Version von Francisco Canaro aus 1939 mit Ernesto Fama. Der Sturm wird hier ab Zeitindex 2:00 in den Violinen dargestellt:

 

 

Vom Gewitter zum Blitz. Mit etwas Phantasie kann man es in der Aufnahme “El Relampago” (Blitz) von Florindo Sassone aus 1951 auch blitzen hören:

 

 

Ein ganz anderes Phänomen wird hier in “Marejada” (Brandung/Seegang) von Carlos Di Sarli in 1941 abgebildet. Der Seegang liegt hier wohl mehr in der linken Hand des Klaviers.

 

 

Der Tango wurde von Roberto Firpo komponiert. Hier die Version von ihm aus 1932:

 

 

 

 

3. Glocken

Glocken werden gerne eingesetzt, imitiert oder im Original gespielt. Hier der Titel “Las Campanas” (Glocken) von Miguel Calo mit Alberto Morel aus 1937. Ich spiele ihn gerne in der Milonga, schneide dann aber aus praktischen Gründen die Glocken heraus:

 

 

Alternativ der Titel “Lloran las Campanas” von Carlos Di Sarli mit Alberto Podesta als Sänger aus 1944. Di Sarli spielt hier die Glocken mit dem Klavier:

 

 

Lucio Demare benennt den folgenden Tango sogar mit einer Lautmalerei “Din Don” (Ding Dong). Es singt Carlos Miranda der auch für die Darstellung der Glocken zuständig ist:  “Hoy las campanas de mi corazón hacen “din,” hacen “din don” furtivamente”.

 

 

 

4. Eisenbahn

Welches Geräusch steht in alter Zeit mehr für die Reise, als der Sound einer Dampflokomotive? Beginnen wir mit Miguel Calo und Jorge Ortiz und dem Tango “Ya Sale el Tren” (Der Zug ist schon abgefahren) aus 1943:

 

 

Etwas weniger dezent der Tango von Roberto Firpo “El Rapido”, der Express nach Rosario (1931):

 

 

Ähnliches hört man auch bei Osvaldo Fresedo in “El Espiante” (der Abreisende) aus 1932.
Auch hier liegt das Ziel der beschwerlichen Reise in Rosario.

 

 

 

5. Die Uhr

Hier hören wir gleich die Uhr schlagen. Der Tango “El Reloj” (die Uhr) von Alberto Gentile und Alfredo Montalban aus 1950 (?):

 

Auch um drei Uhr in der Nacht schlägt die Turmuhr im Vals “A las tres de manana” von Enrique Rodriguez (1946):

 

6. Krieg

Eher unerfreulich werden in manchen Kompositionen auch historische und politische Themen integriert. Als Beispiel hier der Tango “Belgica” von Rodolfo Biagi, in welchem der Erste Weltkrieg mit dem unglaublichen Leid der Soldaten im Angesicht einer industrialisierten Tötungsmaschinerie.

Zu hören ist hier das Maschinengewehr:

 

 

Danksagung

Die Inhalte dieses Artikels wurden auf dem österreichischen Forum Tanzmitmir.net diskutiert. Ich bedanke mich bei folgenden Mitdiskutanten, die mit ihrem fachlichen Wissen maßgeblich zu diesem Beitrag beigetragen haben: “wko“, “Tango Vifzack, “Solotangoo”

 

Literatur

1     https://de.wikipedia.org/wiki/Onomatopoesie

2     https://de.wikipedia.org/wiki/Tonmalerei

3     http://www.cronicasdelaemigracion.com/opinion/isaac-otero/roberto-firpo-y-tango-amanecer/20150316110223064924.html

4     http://mosaicosportenos.blogspot.com.au/2011/07/acerca-del-gato.html

5     http://www.todotango.com/musica/tema/6583/Cacareando/

 

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